Der E-Commerce wächst unaufhaltsam – und mit ihm die Herausforderungen.
„In Deutschland erwarten wir knapp fünf Milliarden B2C-Sendungen. Das ist zwar gut für die Paketdienste, birgt aber auch erhebliche Herausforderungen“, sagt Boris Mayer, Mitgründer des Start-ups Innovative Robot Delivery. Verpackungsmüll, Verkehr und hohe CO₂-Emissionen belasten nicht nur die Umwelt, sondern auch die Infrastruktur. Der Bestellprozess hat sich in den letzten Jahren zwar stark verändert, aber die Zustellung auf der letzten Meile funktioniert seiner Ansicht nach noch wie zu Zeiten des Versandhauses Quelle.
Das wollen die Gründer von Innovative Robot Delivery ändern:
Ihr mobiler Paketautomat, Smarcel, könnte eine zukunftsweisende Lösung sein. Das Konzept sieht vor, dass das Paketmobil über Nacht vollautomatisch im Depot eines Paketdienstleisters beladen wird. Am Morgen wird es an einem festen Standort abgestellt, wo er für bis zu 14 Stunden stehen bleibt. „Smarcel ist unsere Lösung für den akuten und stetig wachsenden Zustellermangel, den drohenden Verkehrskollaps und die zunehmenden Mengen an Verpackungsmüll“, erklärt Mayer.
Im Vergleich zu herkömmlichen Packstationen bietet Smarcel einige Vorteile:
Er funktioniert wie ein automatisiertes Hochregallager, verfügt über 400 Einschubfächer und kann bis zu 200 Pakete unterschiedlicher Größe aufnehmen – auf der Grundfläche eines Parkplatzes. „Wir berechnen den Laderaum jeden Tag neu“, sagt er. Im Gegensatz zur Packstation, die über feste und starre Fächer verfügt, sind die Regalfächer im Paketmobil flexibel anpassbar. „Dank der deutlich dichteren Einlagerung und der Höhe von 3,50 Meter bietet Smarcel auf der gleichen Grundfläche Platz für drei- bis viermal so viele Pakete wie herkömmliche stationäre Paketautomaten.“
Und wie funktioniert die Abholung?
Der Kunde erhält über eine App die Information, dass sein Paket da ist und wo sich das Paketmobil befindet. Über Google Maps wird ihm der Weg und die benötigte Zeit angezeigt. Dort angekommen hält er einfach sein Mobiltelefon gegen den Automaten. Per Near Field Communication (NFC), das den kontaktlosen Austausch von Daten ermöglicht, öffnet sich das auf der Rückseite befindliche Ausgabefach. „Screens und Scanner sind oft teuer, anfällig für Vandalismus und schlicht überflüssig“, sagt Mayer.
Das Start-up hat bereits einen Demonstrator und Prototyp gebaut, um die Funktionalität von Smarcel zu testen.
Im Januar soll eine Kleinserie von vier bis fünf Automaten produziert werden, die dann ab März oder April gemeinsam mit einem Paketdienstleister –leider wohl nicht in Deutschland – in einem Feldtest zum Einsatz kommen sollen.
Derzeit entwickelt das Start-up zusammen mit dem Fraunhofer Institut in Dortmund eine Software zur Standortoptimierung sowie ein fahrerloses Transportsystem zur vollautomatischen Beladung von bis zu fünf Smarcels gleichzeitig. „Unser Ziel ist es, den gesamten Prozess zu automatisieren – vom Depot bis zum Standort des Paketmobils“, erklärt Mayer.
Besonderes Augenmerk legt das Start-up auf die Reduzierung von Verpackungsmüll.
Die Idee der Smarcel-Erfinder basiert auf einer Mehrwegverpackung in Form von Kunststoffboxen, die der Paketdienstleister als Poolbetreiber vorhält und den Versendern zur Verfügung stellt – ähnlich dem etablierten Poolsystem für Europaletten. Die bestellte Ware wird dann lose oder nur in der Umverpackung in diese Box gelegt und – wenn sie schließlich im Paketmobil ist – ohne Deckel zum Ausgabefach befördert. Der Paketempfänger entnimmt seine Ware, die Box verbleibt im Automaten.
„Wir wollen kein neuer Paketdienstleister werden, sondern unser Produkt an sie verkaufen“, betont Mayer. Derzeit sei das Unternehmen mit mehr als 30 Paketdiensten weltweit im Gespräch. Die Gründer Boris Mayer, Dr. Christof Schares und Christian Borger – erfahrene Logistikexperten, die bei DHL die Packstation entwickelt und ausgerollt haben – sind überzeugt, dass autonomes Fahren eine Schlüsseltechnologie für die letzte Meile wird. Smarcel sei zwar zunächst eine Lösung für die Stadt, aber perspektivisch, wenn autonomes Fahren möglich sei, mache der Einsatz auch in ländlichen Regionen Sinn.
Dennoch bleiben Fragen offen:
Wie gut wird die Idee bei den Kunden ankommen, die sich an den Komfort der Haustürzustellung gewöhnt haben? Und welche Kosten entstehen für Paketdienstleister – sowohl für die Anschaffung der Automaten als auch für die der Anpassung ihrer Logistikprozesse?
Autor: Nicole de Jong
Fotos: Innovative Robot Delivery