Wahrscheinlich ist es gut gemeint, aber ein wenig an der Realität vorbei. Worum geht es? Das neue Postgesetz hat das bisherige Gesetz von 1997 modernisiert und ist am 19. Juli 2024 in Kraft getreten. Es sieht unter anderem vor, die Arbeitsbedingungen vor allem in der Paketbranche zu verbessern. Besonders schwere Pakete – ab einem Gewicht von 20 Kilogramm – sollen nur noch von zwei Zustellern gemeinsam oder mit technischer Unterstützung geliefert werden.
Am 11. Dezember 2024 – ein knappes halbes Jahr später – hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) einen Entwurf zur Änderung des neuen Postgesetzes veröffentlicht. Der Vorschlag sieht vor, dass Pakete mit einem Gewicht von mehr als 23 Kilogramm künftig immer von zwei Personen zugestellt werden müssen, der Einsatz technischer Hilfsmittel soll ausgeschlossen werden. Ziel sei es, Zusteller in der Paketbranche schnell und effektiv zu entlasten und damit ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Doch ist das praktikabel?
Nicht aus Sicht des Bundesverbandes der Kurier-Express-Post-Dienste (BdKEP): „Außerhalb des Marktsegments der klassischen Paketzusteller gibt es auf dem Markt Tausende Einzel- und Kleinunternehmer, die als Kuriere Postsendungen maßgeblich bei gewerblichen Empfängern in der Industrie, Autobranche, Handel und Dienstleistungsanbietern zustellen. Sie könnten zukünftig keine Sendungen über 23 kg mehr zustellen, da sie allein unterwegs sind“, heißt es in einer Mitteilung.
Damit würden ihnen wichtige Teile ihrer Geschäfts- und damit Existenzgrundlage entzogen. Der Gesetzgeber müsse für sie Lösungen finden, die ihr Geschäftsmodell weiter ermöglichen und die Transportketten aufrechterhalten. „Auch Kurierunternehmen mit einzelnen Angestellten können diese Art der Zustellung nicht umsetzen. Es besteht ein hohes Risiko, dass sie ihr Geschäft aufgeben müssen“, so der BdKEP.
Auch die Mitglieder des Bundesverbandes Paket- und Expresslogistik (BPEX) sind mit dem neuen Gesetzentwurf unzufrieden.
„Die Gesundheit und Sicherheit aller Mitarbeitenden ist für die Paketdienste von zentraler Bedeutung. Zustellerinnen und Zusteller sollten keine schweren Pakete alleine über Treppen in hochgelegene Geschosse tragen müssen“, sagt der Branchenverband auf Anfrage. Man teile zwar das Ziel, die Arbeitsbedingungen weiter zu verbessern und die Gefährdung durch schwere Lasten zu minimieren.
Eine verpflichtende ausschließliche Zwei-Personen-Zustellung würde jedoch erhebliche Änderungen in den betrieblichen Abläufen und der Personalplanung erfordern. „Angesichts des herrschenden Arbeitskräftemangels stellt dies eine große Herausforderung dar“, betont der BPEX. Die Umstellung könnte nicht nur zu Kostensteigerungen führen, sondern auch die Effizienz, Geschwindigkeit und Nachhaltigkeit der Paketlogistik durch mehr Fahrten oder größere Fahrzeuge beeinträchtigen.
Beide Branchenverbände plädieren dafür, dass die Ein-Personen-Zustellung weiterhin möglich sein sollte, wenn Ebenerdigkeit gegeben ist, etwa durch den Einsatz von Aufzügen, Sackkarren und Rampen.
Und die DHL Group fordert: „Die Regelung muss einfach umsetzbar und kontrollierbar sein. Die Einhaltung des Gesetzes durch alle Marktteilnehmer sollte von den Aufsichtsbehörden streng überwacht werden, damit das Gesetz auch tatsächlich allen Beschäftigten der Branche zugutekommt“, sagt ein Sprecher der DHL Group dazu.
Beschlossen ist zwar noch nichts, aber der in der Formulierungshilfe vorgesehene Anpassungsvorschlag der Fraktionen von SPD und Bündnis‘90/Die Grünen wurde noch vor Weihnachten 2024 im Deutschen Bundestag beraten.
Die Politiker würdigten die Arbeit der Paketzusteller als Helden des Alltags gerade in der Weihnachtszeit. Sebastian Roloff (SPD) begründet den Antrag damit, dass die Beschäftigten dann besser geschützt seien. „Aber was ist ein geeignetes technisches Hilfsmittel?“, fragt er. Eine praktikable Lösung sei schwer zu finden, weshalb SPD und Grüne vorschlagen, die Grenze auf 23 Kilo anzuheben, die in jedem Fall von zwei Personen bewegt werden müssen. Jan Metzler (CDU/CSU) betont, dass Regelungen praxistauglich sein müssen und Reinhard Houben (FDP) stellt die Frage, wem geholfen sei, wenn Waren, die mehr als 23 Kilo wiegen, nicht mehr in ein, sondern in mehrere Pakete gepackt werden müssten.
Den Zustellern sei auch nicht geholfen, wenn der Kollege krank ist oder die Stelle gar nicht besetzt werden kann. Und wer kontrolliere am Ende, ob jeweils zwei Personen zu zweit Pakete von mehr als 23 Kilo tragen? Der Vorschlag sei zwar gut gemeint, gehe aber ein wenig an der Realität vorbei. „Die Ausgestaltung des weiteren Verfahrens – auch hinsichtlich einer Anhörung der Betroffenen – obliegt nun dem Deutschen Bundestag“, sagt eine Sprecherin des BMWK. Sollte der Bundestag zustimmen, könnte die Regelung zum 1. Juli 2025 in Kraft treten.
Autor: Nicole de Jong
Fotos: GLS, DHL Group